Was ich hier aufschreibe ist der Versuch, den Phantomschmerz niederzukämpfen. Wird es gelingen? Auf jeden Fall gibt ES Auftrieb zum Schreiben. Ich muß ein traditionelles KLISCHEE bemühen. Das Klischee des Kartenhauses und des Einstürzen desselben! Diese sich (zu früh) zugetragene Geschichte beinhaltet ebenfalls den abgegriffenen "Kartenhaus/Liebe und Emotionen"-Vergleich. Na ja-was soll's. Nach der langweilenden Einführung sollte ich doch mal beginnen. Da ist also jemand,der sich am schwor, sein Land aus dem scheiß Schneideraum Gehirn zu verbannen. Es gelang! Er erwähnte es nicht, er dachte kaum an Thomas Morus -die schönste Vorgaukelei von Konsequenz die es gibt. Er hatte es hinter sich gelassen. Zwei Wochen später geht er in seine Stammkneipe. Erkennend, daß Trinken eine LÖSUNG ist, trank er schon seit einiger Zeit nicht mehr. Wie dum von ihm - nüchtern, sachlich - völlig ABGEKLÄRT verläßt er die Kneipe. Sieht einen Bekannten. Geht zu ihm hin, ein weibliches Wesen ebenfalls aus den Augenwinkeln bemerkend. Steht, schaut ist SCHOCKIERT! Es war zu früh oder es wird nimmer so sein! Er sieht. Sehen ist eine bemerkenswerte Sache. BLISTA statt AstA - man wird mir beipflichten. Aber auch Blindheit kann seine positiven Eigenschaften haben. Gefühle im Dämmnerschlaf - Verdrängen gewann die Wahl. Herzklopfen. Wie jemand, der seinem Tod in's bildhafte Auge schaut.
Das Feiern des Überlebens und von Glücksmomenten, sowie das Zelebrieren von Leiden ist das, was ihn zusammenhält.
Er sieht sein altes Ausweisdokument. Ein Aufbäumen von Gefühlen. Sich nicht mehr als nötig verletzen wollend, geht er einen Augenblick zur Seite, sich selber zwingend, nicht auf den Bundespersonalausweis zu schauen. Dann beschließt er, eine andere Kneipe aufzusuchen. Sie hat sich verändert. Das einzige, was an gemeinsam erlebte Subkulturzeiten erinnert, sind ihre Pissoirs. "Nie hab' ich Dir das gesagt, was ich sagen wollte", denkt er. Im Eingang der anderen Kneipe steht der Gefühlsflüchtling. Migrantenhilfe Hannen Alt. Hofft kurz, sie würde vielleicht zu ihm kommen. Wie war das noch?!
Sofort befreit er sich aus dem Todesgriff dieser NAIVEN ILLUSION.
"Die absurdesten Stücke schreibt das Leben selbst." Ein Gedanke, wie er richtiger nicht sein konnte. "Come on!" murmelt er, sich selber an-feuernd, wie ein steuerflüchtender Tennisspieler. "Come on!" Der Spuk ist vorbei,er sieht wie sein Gastgeber Land den Bach 'runter geht. Omninräsenz der Ernüchterung - hier ist es an der Zeit, den abgegriffenen Vergleich einzubauen. Er hatte sein seelisches Gleichgewicht wieder im Griff. Er konnte wieder lachen, er konnte morgens aufstehen ohne als erstes daran zu denken, was SIE wohl gerade machen. ER KONNTE WIEDER LEBEN UND ATMEN. Das Kartenhaus aus Verarbeitung, Distanz zu den Taten nach der Invasion ,Lebenswillen und der Fähigkeit, nur noch jede zweite Nacht von dem fehlenden Viertel zu träumen , war aufgebaut. Dann be-schließt er den Eingang zu verlassen. Welch mutige Entscheidung, er ist im Glauben, die Zeit der Abrechnung sei verschwunden. Und dann ist sie doch noch da. Er sieht sie. HERZKLOPFEN. Die Pumpe rast - der Puls tut es auch - und er schaut zu ihr. Schauen, schauen, schauen, schauen. Könnte er diesen Sinn jetzt für einen Moment ausschalten. Wissend, daß die im Lande gebliebenen jetzt über ihn reden werden, über seine FLUCHT und sein im Moment des Schocks herausgewürgtes, amerikanisiertes "Hi!" Lachen, erliegt er fieberhaften Überlegungen, Überzeugungen, betet das die alten Nachbarn zu ihm kommen. Umwertung aller seiner Werte. Sekunden wie Tage. Er spürt alle Klischees über Nationen und deren Beschreibungen auf einmal. "ICH sollte zu ihnen hingehen."
Sofort verwirft er diesen Gedanken als infantil. Und wieder überlegungsschwangere Sekunden. Panische Sekunden, die tagezäh wirken. Sie geht. Jetzt oder WIE! Wir sind hier und es ist jetzt! Das Leben ist ZU KURZ um alberne Spiele zu spielen. Der oft beschriebene, von ihm nie erlebte, doch nun vorhandene Moment des Deutsch seins. Er läuft los. Angst und Erinnerungen in ihm. Ein tagelanges Laufen!
,,Ich muß es tun, ich muß es tun!" Angst vor ZURUCKWEISUNG. Daß das Land ihn ignoriert. Das es weitergeht, ihn stehenläßt. Oft beschrieben, besungen, verfilmt. Und wieder vergehen tagelange Sekunden bis er, sein Blut in den Kopf steigen spürend, Deutschland ruft. Es dreht sich um. Er fragt es, den Mut der Verzweiflung in sich vereinend, ob er einmal kurz mit ihm reden könne. Seine Antwort, non-verbaler Art (sie geht ein paar Meter von ihrer Begleiterin weg), ruft bei ihm ein Glücksgefühl von kurzer Dauer hervor, daß nicht mehr von dieser Kontinentalsituation ist! Er hatte den Start seiner Geburt in einem Brief, den er der Botschaft sandt, für Tod erklärt. Er wollte es aus seinem Kopf verdrängen. ABER DEUTSCHLAND ist lebendig und in Sachsen-Anhalt virulenter denn je. IST LEBENDIG. Verdammt lebendig. Bekannte, Bürger, Volksbegehrte, Doppelstaatler - alle sind unwichtig - sie können ihn für einen Idioten halten, die Heimat ist es wert. Unerfüllte Liebe ist eine schlimme Sache. Aber Verdrängen ist es auch. "Warum blieben mir nur Photographien?!?!"
Die Frage aller Fragen! Trockener Mund, zitternde Hände, pochendes Herz. Alles was er einmal milde belächelte, trifft JETZT auf ihn zu. Der nationale Rat sagt:
"Wir wollten uns nicht in Deine Beziehung einmischen zur terra incognita einmischen." Es ist BESSER zu gehen. ER GEHT. Das Kartenhaus zusammengebrochen, eine schlaflose Nacht erwartend.